überkam und schrieb drauf los. Es ist vielleicht ein wenig makaber, dass es von einem Schriftsteller in meiner Situation handelt, eine Schauergeschichte wird es wohl werden und ich habe es weit über den Anfang hinaus geschafft, habe wohl mehrere Stunden am Stück unaufhörlich geschrieben und fühle mich nun erschöpft und zufrieden. Morgen schreibe ich daran weiter. Das tue ich ungern, denn ich habe die Erfahrung der Unzufriedenheit verinnerlicht, die einen überkommt, wenn man die Werke des Vortages beurteilen muss, bin aber zuversichtlich mit mir selbst. In den Ofen habe ich erneut ein paar Scheite Holz gelegt, denn ich will zumindest die Anfangszeit der Nacht nicht mehr frieren. Ich habe mich vor den Bauwagen gestellt und in alle Richtungen geschaut. Es herrscht nun vollends die Nacht draußen, kein Licht außer aus manchem Fenster von den umliegenden Höfen und die Lichter des Stahlwerks sind zu sehen, kein Auto fährt mehr und kein Mensch verliert sich in der Ebene. Es ist, jetzt wo es auch wieder aufgehört hat zu regnen, sehr still – eine Stille, die einen der Stille komplett entwöhnten Großstädter wie mich aufhorchen lässt. Natürlich klopfe ich mich innerlich nach dem bisschen Unbehagen ab, dass man befürchtet, wenn man mutterseelenallein lange Zeit an einem abgelegenen Ort verbringt. Dann schreibe ich auch noch eine Gruselgeschichte! Na ja, ich bin mir nicht so sicher wegen des Unbehagens. Angst ist sicherlich etwas anderes, Angst habe ich nicht, es ist nur alles sehr ungewohnt, gerade auch wenn man, wie ich, gewohnt ist, mit Menschen zusammenzuleben, die immer ansprechbar sind, mit denen man sich zerstreuen und auch beruhigen kann. Das ist nun gerade absolut nicht der Fall. Die Straße, auf der jemand kommen könnte, blieb leer und wo ich auch hinschaute, blieb ich auf mich selbst, den Beobachter verwiesen. Ob ich das als unangenehm empfinde, kann ich nicht sagen. Ich schreibe, bin ja beschäftigt und letztlich ist wahrscheinlich alles eine Sache der Erfahrung und Gewohnheit. Ich bin, und gebe das auch gern zu, ein von anderen Menschen in gewisser Weise abhängiger Mensch. Doch der soziale Kontakt sollte ja für diese paar Tage auf geradezu null reduziert werden, denn in all dieser Abhängigkeit ist es doch noch immer mehr als interessant, zu wissen, wer man für sich selbst ist oder sein kann. Und im Grunde fehlt es mir an nichts. Gut, ich habe das Brot vergessen, aber zu essen habe ich genug. Gut, ich würde mich mittlerweile gern duschen, aber die Hygiene muss zurückstecken. Auch sich nicht waschen soll ja gesund sein. Im Übrigen auch, weniger denken. Bezeichnen wir es einfach als Meditation über den eigenen Zustand und schließen für heute in ländlicher Trance mit dem Knacken des Holzes im Ofen, dem Wind in den Belüftungsklappen, dem qualmenden Tee neben mir und einem guten Film…   

Samstag, 3. März

Es war des Führers ausgewiesener Lieblingsfilm, den ich mir gestern noch ansah – „Die Feuerzangenbohle“. Na ja, hat mich nicht mehr so vom Hocker gehauen, wie einst, als ich als kleiner Bub mit meiner Oma diesen Schinken sah. Ich fand die Handlung vorhersehbar und letztlich sentimental, doch man muss die Dinge ja in ihren Verhältnissen sehen. Während ich also so auf den Bildschirm starrte und mich auch ein wenig beim Filmsehen langweilte, kam ein Mäusepärchen hinterm Ofen vor und sprintete in Richtung des Regals, das ich am Vormittag noch sauber gemacht hatte. Empört stand ich auf, stieß warnende Laute aus und machte Lärm mit dem Feuereisen, dass ich drohend immer wieder auf das Ofenblech fallen ließ. Ich hätte vor mir Angst bekommen, doch bei den Mäusen bin ich mir nicht sicher. Jedenfalls, als ich schließlich auf meiner Matratze lag und versuchte zu schlafen, war mir immer so, bei jedem Geräusch, dass diese Mäuse wieder an mir vorbei huschend auf das Regal zu stürmten oder sonst was veranstalteten. Habe dann via Ohrstöpsel mich gegen die Realität abzuschotten versucht, was bis zu einem schlechten Traum klappte, in dem ein wütender Nachbar immer wieder mit einem schweren Gegenstand gegen die Bauwagentür schlägt und ich es nicht höre, weil ich die bekloppten Ohropax im Ohr habe. Wieder also eine wenig erholsame Nacht…

Ich bin dann früh raus und habe zu allererst die Schafe und Ziegen mit Heu und Wasser versorgt. Während des Frühstücks kam Anne. Wir redeten über meine Gründe, mich hier zurückgezogen zu haben und über ihren Job beim Arbeitsamt in Beeskow. Sie vermittelt, oder versucht es, die unter 25jährigen zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und erzählte von den jungen Frauen, die, meist mit Kind aber ohne entsprechenden Kerl dazu, auf dem Dorf wohnen und auch nichts anderes kennen, als dieses Dorf und seine Umgebung. Eine absolut beschränkte Lebenswelt, aus der sie auch nicht mehr entkommen, weil sie auch gar nicht wissen, wohin. Der Bus fährt in diesen Dörfern zweimal am Tag und in der Ferienzeit gar nicht. Ein Auto ist meist nicht vorhanden. Wohin sollte Anne solche Frauen vermitteln?

Anne war gekommen, um die Ziege zu melken, doch das arme Vieh lag im Stall auf der Seite und sah erbärmlich aus. Es schwitzte und konnte sich nur mit eingeknickten Vorderbeinen fortbewegen. Immerhin fraß sie ein wenig von dem frischen Heu. Wir telefonierten den diversen Großtierärzten hinterher, kamen aber zu keinem richtigen Ergebnis bzw. erreichten niemanden. Anne hat dann die Ziege noch gemolken und kommt am Nachmittag wieder. Ich habe mir Gedanken gemacht. Was müsste ich tun, wenn ich heute Abend nach der Ziege sehe und ihr ginge es schlimmer und kein Tierarzt wäre erreichbar, das Vieh einzuschläfern? Ich müsste die Axt vom Holzblock nehmen, auf dem ich das Holz für den Ofen hacke und zum Stall gehen. Dort würde mich die Ziege mit ihren traurigen Augen mit diesen eigenartigen Ziegenpupillen ansehen. Ich müsste mich in die Position eines sicheren Standes bringen und ausholen. Ich müsste versuchen der Ziege die stumpfe Seite der Axt auf das Genick zu schleudern. Es wäre ein kurzer aber irgendwie gewaltsamer Tod. Oder ich würde der Ziege einfach den Selbstgebrannten einflössen, der hier im Bauwagen rum steht und den zu trinken ich niemandem empfehlen würde (ich dachte zunächst es wäre Wodka, denn die Wodkaflasche sprach dafür, allerdings überzeugte mich der scharf- brennende Geschmack sehr schnell von meiner Falschannahme). Sie hätte dann einen etwas länger anhaltenden, aber wohlmöglich sogar lustigen Todesprozess durchzustehen. Ich könnte beides nicht. Allein die Vorstellung, wie ich die Axt mit ganzer Kraft auf diesen Ziegenschädel sausen lasse, scheint mir absurd. Die schaut mich doch dabei an! Ziegen sind doch auch bloß Menschen! Ich habe noch nie ein größeres Tier als eine Fliege getötet und insgeheim tat es mir auch bei der Fliege leid, obschon es natürlich ein kleines Erfolgserlebnis ist, wenn man als kleiner Junge per Fliegenklatsche erfolgreich auf die Jagd an Großmutters Küchenfenster geht. Mücken sind Blutsauger, da kann ich nichts empfinden, wenn ich die drankriege, was ja nicht besonders häufig ist. Mehr Lebewesen habe ich nicht den Tod gebracht, vielleicht noch der ein oder anderen Nacktschnecke, oder was man sonst noch so ganz unbewusst platt macht. Ich habe mir gestern

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